Kurz über das Leben der Flüchtlinge

Hallo meine Lieben. Wie der heutige Titel schon erahnen lässt, habe ich ein aktuelles Thema (natürlich nicht so aktuell wie die Bildung der deutschen Regierung) gewählt.
Dieser Artikel wird sich von der russischen Version, denke ich, um einiges unterscheiden. Wenn Ihr diesen Artikel auf Deutsch lest, dann seid Ihr vermutlich in Deutschland und habt eine Ahnung davon, was den ganzen Verlauf des Asylverfahrens in Deutschland betrifft. Deshalb brauche ich Euch im Gegensatz zum russischsprachigen Leser nicht zuerst das ganze Bild darlegen.
Der Grund für dieses Schreiben liegt darin, dass ich seit einiger Zeit als Flüchtlingssozialarbeiterin arbeite. Jedes Mal, wenn jemand aus meinem russischsprachigen Kreis etwas über meine Arbeit erfährt, werde ich gefragt, ob ich keine Angst habe. Ich lächele immer über diese Frage, aber ich weiß woher diese Skepsis kommt. Es liegt an den Nachrichten, die ein übertriebenes Bild der Situation in Deutschland vermitteln, aber auch in Europa. Nach diesen Nahrichten denkt man, dass in der Gesellschaft Chaos herrscht. Ich weiß, dass zwischenzeitlich alles nicht mehr so chaotisch ist und die Regierung Kontrolle über die Situation hat. Aber diesmal möchte ich über einige Vorurteile der Menschen sprechen, die ich gerade aufgrund meiner Arbeit als verständnislos wahrnehme.
An das Jahr 2015 erinnert sich bestimmt jeder. Im September 2015 begannen die Flüchtlingszahlen in Deutschland zu steigen. Meine Mutter, die nicht in Deutschland lebt, nahm die Nachrichten wahr, als ob die ganze Bevölkerung aus Saudi-Arabien (damit meine ich die konservativen Muslime) nach Deutschland umgezogen wäre. Klingt übertrieben, aber sie hatte tatsächlich „krasse“ Bilder im Kopf. Einerseits hatten die Nachrichten und anderseits Geschehen früherer „unbekannter“ Erreignisse ihre Wahrnehmung geprägt.
Jetzt schlage ich vor, über die Stereotypen zu sprechen, die nicht nur in den russischen Medien, sondern auch in den Köpfen einiger Deutscher einen festen Platz haben.

Erster Stereotyp: Die Flüchtlinge befolgen nicht die Gesetze, sie bringen Unordnung in die Gesellschaft.
Ehrlich gesagt dachte ich früher auch so. Dieses Vorurteil ist auch „dank“ einiger Schützlinge entstanden, die kriminelle Handlungen begangen haben. Jedoch sieht die Realität um einiges farbenfroher aus. Nicht jeder ist ein Krimineller oder besser gesagt, es gibt einige wenige Vorkommnisse. In der Regel gibt es entweder Schlägereien unter den Flüchtlingen selbst oder kleine Diebstähle, die eher im Geschäft passieren und nur selten z.B. den Diebstahl einer Handtasche (die der Oma) betreffen (und hier sprechen wir über die schweren Fälle). Meine Arbeit zeigt mir, wie verantwortungsbewusst die geflüchteten Menschen sind und immer versuchen gemäß den Regeln zu handeln. Meine Philosophie hier ist Folgende: Wie man von einem kleinen Kind nicht erwarten kann, dass es sofort laufen lernt, so kann man auch nicht erwarten, dass Menschen mit einem komplett anderen kulturellen Hintergrund und anderen (Wert- und Lebens-)Vorstellungen sich sofort in die deutsche Gesellschaft integrieren. Wie wäre es, wenn wir uns das anders herum vorstellen: Wenn ein Deutscher in ein fremdes Land (mit für ihn fremden kulturellen Werten) einreisen würde und versucht sich dort zu integrieren. Schwer, nicht wahr?! Sogar ich, mit meinen mehr oder weniger tiefgründigen kulturellen Kenntnissen über Deutschland und seine Bevölkerung, habe manchmal Schwierigkeiten die deutsche Mentalität zu verstehen. Jeder trägt halt seinen eigenen kulturellen Koffer mit sich.

Die Flüchtlinge bekommen sehr viel Geld!!!
Ein weit verbreiteter Mythos. Was bekommen denn eigentlich die geflüchteten Personen? Das hängt von vielen Faktoren ab: Dem Flüchtlingsstatus, der Dauer des Aufenthalts, der Anzahl der Kinder in der Familie usw. Aber grob gesagt, die ledigen Menschen bekommen etwa 300 Euro. Dazu kommen zusätzliche Kosten wie für den Anwalt. Viele Asylbewerber (d.h. Personen ohne einen offiziellen Flüchtlingsstatus; der Begriff „offizieller Flüchtlingsstatus“ ist ziemlich weit und dazu kommen wir noch später) haben einen Anwalt, der sich mit deren Fall beschäftigt. Die Anrufe nach Hause kosten auch einiges. Wie wir sehen, bleibt von dieser Summe nicht viel übrig. Zudem kommen noch die Kosten für die Einkäufe hinzu. Die wichtigsten Produkte betreffen Hygieneartikel, Lebensmittel, Kleidung, manchmal eine Monatskarte für den Bus oder die Bahn, wobei Kosten für Unterkunft, Versicherung, Erstausstattung des Zimmers nach Bedarf, Sprachkursen (es ist nicht immer leicht Zugang zu einem Sprachkurs zu bekommen; es gibt Asylbewerber die lange warten müssen, bis sie einen Platz in einem Sprachkurs bekommen: Hier spielt das Herkunftsland des Schützlings auch eine Rolle) werden von den Trägern übernommen.

Alle Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, bleiben hier für immer.
Schauen wir mal zuerst ganz kurz (ich versuche wirklich kurz und knapp zu bleiben, ansonsten kann man sich wirklich in diesem Dschungel mit dem Namen „Asylverfahren“ ganz leicht verirren) zum Asylverfahrenprozess.
Zu Beginn des Prozesses, den jeder Asylsuchende (bevor die Person einen Asylantrag beim BAMF gestellt hat, ist sie Asylsuchende/r) überstehen muss - bevor er eine Antwort vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (kurz BAMF) bekommt (das ist ein relativ langer Prozess, der vor allem grob gesagt Anhörung und Überprüfung der Angaben der betreffenden Person umfasst) -, befindet sich die Schutz suchende Person im Asylverfahren, bzw. nach ihrem offiziellen Status bekommt die Person eine Aufenthaltsgesattung, ist also ein Asylbewerber. Wenn die Person eine negative Antwort von der BAMF bekommt, erhält sie von der zuständigen Ausländerbehörde eine Duldung (man muss aber hinzufügen, dass nach dem ersten negativen Bescheid der Asylbewerber das Recht hat, die Entscheidung anzufechten) und damit ist sein Asylverfahren abgeschlossen und sie soll möglichst schnell Deutschland verlassen.
Aber wenn die Person eine positive Antwort bekommt, muss gewählt werden, welche genaue Schutzform die Person bekommt. Man unterscheidet zwischen vier Formen und zwar:
1.      Anerkennung der Asylberechtigung nach Art. 16 a des Grundgesetzes: Aufenthaltserlaubnis bis zu 3 Jahren;
2.      Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach §4 AslyG: Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr sowie die Verlängerung um weitere zwei Jahre ist möglich (dafür muss der Schützling nachweisen, dass er sich Mühe macht, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren);
3.      Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes nach §3 AslyG: Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre (ein relativ geringer Anteil der Flüchtlinge bekommt diesen Status).
4.      Feststellung des Abschiebeverbots nach §60 AufenthaltG: Aufenthalt für mind. ein Jahr erlaubt und eine mögliche Verlängerung (nur ein kleiner Anteil von Personen bekommt diesen Status).
Es gibt vor allem fünf Länder, aus denen Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit in Deutschland bleiben können, das sind: Syrien, Irak, der Iran, Somalia und Eritrea (aber sogar aus diesen Ländern gibt es genügend Menschen, die einen negativen Bescheid bekommen). Es dauert manchmal mehr als ein Jahr (wenn die Person noch Klage einreicht, dann bis zu zwei Jahren) bis das Asylverfahren abgeschlossen wird. Es klingt einfach „bis zu zwei Jahren“. Diese Zeit ist natürlich mit einer Reihe von Beschränkungen verbunden: Du musst in dem Ort wohnen, wo Du leben darfst; meistens in einer Wohnung mit anderen Personen (zwei bis sechs Personen können ein Zimmer teilen); eine neue Sprache, neue Kultur usw.
Es gibt genügend Personen, die nach einer Weile freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren. Dazu muss man wissen, dass diejenigen, die freiwillig ausreisen, auch gute finanzielle Unterstützung von Deutschland bekommen – z.B. um die Tickets zu kaufen und die erste Zeit im Heimatland finanziell zu überstehen.

Die Deutschen mögen die Flüchtlinge nicht!
Noch ein Mythos, der eher falsch als richtig ist. Der große Teil der Deutschen zeigt Verständnis gegenüber den Flüchtlingen. Es gibt eine Reihe von ehrenamtlichen Kreisen, die sich mit der Unterstützung der Flüchtlingen im Alltag beschäftigen (Sprachkurse, Hilfe bei bürokratischen Geschäftsvorgängen usw.). Die deutsche Regierung fördert von ihrer Seite aus die Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft (z.B. durch Integrationsmanager, die das Ziel verfolgen, durch intensive Arbeit zu helfen oder durch Integrationskurse, die aus Sprachkursen bis B1 und den Besonderheiten Deutschlands bestehen). An den meisten Unis gibt es zudem Vorlesungen und Seminare mit dem Titel „Flucht und Migration“. An meiner ehemaligen Uni in Eichstätt gibt es das Zentrum „Flucht und Migration“; im Landkreis, wo ich arbeite, haben drei Integrationszentren ihre Arbeit aufgenommen. IHKs und die Handwerkskammern haben extra Ausbildungsmöglichkeiten für Geflüchtete geschaffen. Und eine Reihe anderer Organisatonen bieten viele Projekte mit dem Thema „Ausbildung für Flüchtlinge“ an. In den Schulen gibt es extra Angebote (für Deutsch und Mathe vor allem) sowie auch im Kindergarten, wo die kleinen Kinder tolle Möglichkeit bekommen die deutsche Sprache zu erlernen (dazu muss ich sagen, dass die Kinder im Gegensatz zu ihren Eltern die Sprache wirklich schnell beherrschen und sogar für ihre Eltern dolmetschen). Kurz gesagt, wenn ein Mensch sich in die deutsche Gesellschaft integrieren möchte, bekommt er volle Unterstützung.
Es gibt natürlich einige Menschen, die die humane Außenpolitik Deutschlands ausnutzen, um ihre bösen Ziele zu verwirklichen. Aber ich wollte nicht meine Aufmerksamkeit auf etwas Negatives lenken. So, das ist alles für heute. Ich hoffe, dass dieser Artikel für Euch irgendwie interessant und nützlich war. Für mehr Information zum Thema lasse ich Euch ein paar Links hier:

1.      Für Informationen zum Asylverfahren in Deutschland im Allgemeinen: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Broschueren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile
3.      Startseite der BAMF:
Aktuellste Statistik (die ich gefunden habe) bezüglich des Asyls in Deutschland: http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/aktuelle-zahlen-zu-asyl-januar-2018.pdf?__blob=publicationFile

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